Der Malchower Inselwohnsitz - eine ambulant betreute Wohngemeinschaft des Wegweiser e.V.
Stand:
11.04.2012
Kontakt:
Wegweiser e.V.
Schleswiger Straße 8
17192 Waren (Müritz)
Sabine Raatz (Projektträger)
ELER-Förderung:
ja
Finanzierung:
Gesamtfinanzierung: 1.048.432,59 EUR
davon über Leader: 385.000 EUR
Fördermittel: 192.500 EUR
davon EU-Mittel: 154.000 EUR
Die Förderung setzt sich folgendermaßen zusammen:
- ESF - über das Sozialministerium
- EFRE - über das Wirtschaftsministerium
- ELER - über das Landwirtschaftsministerium
- Bundesmittel über das Verkehrsministerium
- mehrere Stiftungsmittel
- = 6 Förderbescheide aus unterschiedlichen Förderrichtlinien
Laufzeit:
2008 bis 2010
Themen:
- Demografischer Wandel
- Gesellschaft und Soziales
- Grundversorgung und Infrastruktur
- Dienstleistungen
- medizinische Versorgung
Förderperiode:
Beschreibung
Zusammenfassung:
In Malchow entstand ein neuartiges Pflegewohnprojekt der Gerontopsychiatrie. Hierzu wurde eine ehemalige Wolferei umgebaut. Das damals leerstehende Gebäude befand sich im Eigentum des Projektträgers.
Im Erdgeschoss wohnen heute pflegebedürftige, an Demenz erkrankte Menschen, die hier ganztägig gepflegt und betreut werden. Die Wohngemeinschaft bietet Platz für zwölf pflegebedürftige Patienten. Ein besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet, dass die WG-Bewohner des Heims auch zueinander passen. Dafür wurde im Obergeschoss ein "Probezimmer" eingerichtet.
Im Obergeschoss entstanden zudem acht betreute Altenwohnungen, die den Ehepartnern der Heimbewohner angeboten werden. So können die Angehörigen entlastet werden, ohne dass die Partner auf ihre Nähe zueinander verzichten müssen.
Ausgangssituation:
Angehörige leisten Pflege bis zum Punkt der Überforderung, häufig darüber hinaus. Wenn nichts mehr geht, muss der Pflegebedürftige in ein Pflegeheim umziehen. An diesem Tag drehen sich die Vorzeichen abrupt um. Das Heim übernimmt alles, die Angehörigen sind bestenfalls als Besucher geduldet.
Obwohl diese abrupte Entlastung mittlerweile der kulturellen Erwartung entspricht, ist sie in Wirklichkeit für viele Angehörige nur schwer zu verkraften. Sie werden nicht mehr gebraucht und können ihre Fürsorge nur noch in Form der Auseinandersetzung mit dem Pflegepersonal ausleben. Der Gedanke des Vorrangs familiärer Pflege darf aus menschlichen und gesellschaftlichen Gründen nicht auf die Versorgung in der angestammten Häuslichkeit beschränkt bleiben. An dieser Stelle setzt die Idee der ambulant betreuten Wohngemeinschaft an.
Sie ermöglicht es pflegenden Angehörigen, weiterhin Verantwortung, nicht aber die vollständige Last einer Rund-um-die-Uhr-Pflege zu tragen. Sie ermöglicht damit auch die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Eine selbstverwaltete Wohn- und Betreuungsgemeinschaft ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Es wird häufig Moderation und Begleitung erforderlich sein, um dauerhaft den Charakter zu bewahren. Mit der ambulant betreuten Wohngemeinschaft "Malchower Inselwohnsitz" bietet der Wegweiser e.V. ein neues Versorgungskonzept und stellt damit eine Alternative zu einem Heimeinzug dar.
Inhalt:
Es wuchs bereits 4 Jahren vor der Umsetzung die Idee, ein Haus zu errichten, in dem Altwerden Freude machen kann. Ein Haus mit Familiencharakter, gemütlicher Wohnatmosphäre, die nicht nur die Pflege im Vordergrund sieht, sondern die Fürsorge und liebevolle Zuwendung. Mit einem Investitionsberater begann die herausfordernde Werbung um finanzielle Mittel.
Der Gedanke, auch pflegenden Angehörigen die Möglichkeit zu geben, im 1. Obergeschoss des Hauses mit einzuziehen, hat im Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern dazu geführt, den Malchower Inselwohnsitz zum Modellprojekt zu ernennen. Damit kann älteren Paaren oder auch Eltern und Kindern die schmerzhafte Trennung erspart bleiben.
Im "Malchower Inselwohnsitz" finden Menschen mit Demenz einen eigens für sie geschaffenen Lebensraum, der sich optimal an den besonderen Bedürfnissen der Bewohner orientiert. Das Leben und der Alltag verlaufen in Anlehnung an alte Traditionen der Vergangenheit.
Ziele:
Schaffung einer Pflegewohngemeinschaft für an Demenz erkrankte Personen und ihren Partner mit den folgenden Vorteilen:
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Für den Bewohner bleibt der Tagesablauf normaler Alltag
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Der Bewohner ist komplett versorgt, aber nicht entmündigt
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Die Aktivitäten in der Gemeinschaft (gemeinsame Haushaltsführung, Ergotherapie, Spiele, Musizieren, Feierlichkeiten, Haustierversorgung usw.) helfen ihm, seine kognitiven Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten
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Die Angehörigen können ihr Familienmitglied in seiner eigenen Wohnung besuchen und ansonsten ihr Leben wieder normal führen
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Die Eigenbeteiligung unter Berücksichtigung der Leistungen der Pflegekasse ist häufig geringer als bei der Heimunterbringung
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Die Betreuung in der Demenz-WG erfolgt über 24 Stunden Tag und Nacht
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Festes Pflegeteam - dadurch Kontinuität
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Viele alltägliche Dinge (wie z.B. Kochen, Essen, Wäsche waschen) werden gemeinsam erledigt
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Die Mitbewohner einer Demenz-WG haben prinzipiell die gleiche Grunderkrankung, dadurch sind der Tagesablauf und die Form der Betreuung darauf eingespielt und professionalisiert
Besonderheiten:
Der Stil des Hauses entspricht dem Anspruch der Bewohner, so wird der Vermieter bei der Einrichtung der Gemeinschaftsräume gern Bewohner und Angehörige einbeziehen, so dass das Haus Gemütlichkeit und Wärme, eben das Gefühl, Zuhause zu sein, vermittelt.
Sicherlich gibt es Richtzeiten im Haus, doch die Alltagsgestaltung wird an Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner angepasst und nicht diese richten sich nach dem Dienstplan.
Angehörige, die im Hause in einem der 8 Appartements leben oder als gerade Anwesende im Hause verweilen, werden nicht als Störenfriede angesehen, wenn sie Wünsche und Anmerkungen haben. Sie sind herzlich willkommen und es ist gewollt, dass sie sich einmischen und in alle Aktivitäten im Hause einbezogen sind.
Das Haus bietet im Erdgeschoß 12 Einzelzimmer mit Bad, die vom neuen Bewohner mit eigenen Möbeln, Bildern und Erinnerungen ausgestattet werden können. Das Alltagsgeschehen wird vom eigenen Rhythmus bestimmt, von liebgewordenen Gewohnheiten und vertrauten Ritualen - genauso, wie sie es jahrelang zu Hause gewohnt waren. Dabei werden sie von Mitarbeitern eines Pflegedienstes begleitet und unterstützt und in ihren Fähigkeiten gefördert. Gemeinsam mit den anderen Bewohnern üben sie das Recht des Hausherren aus. Pflege- und Betreuungspersonal sind Gast im Hause.
Im 1.OG steht ein Zimmer für zeitweilige Besucher oder als Gelegenheit zum Probewohnen für zukünftige Bewohner zur Verfügung.
Auf dem Dach des Hauses ist eine Solaranlage installiert, die für die Warmwassereinspeisung sorgt. Die Dämmung des Hauses, die Erneuerung der Bodenplatte und neue Fenster sorgen weiterhin für einen sparsamen Energieverbrauch.
Die Biografiearbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Betreuungsarbeit. Im Flurbereich des Erdgeschosses steht deshalb jedem Bewohner der Gemeinschaft ein eigener Schaukasten zur freien Gestaltung zur Verfügung. Dieser hilft ihm bei der Orientierung im Hause und soll ihn an schöne Erlebnisse und ihm wichtige Personen erinnern.
Das gemeinsame Kochen in der vom Verein eingerichteten Gemeinschaftsküche soll Anreize zum Mitwirken in der Küche geben und für einen gesunden Appetit sorgen. Jedoch sollen Menschen, die in ihrem Leben genug gekocht und gebacken haben, dies nicht in der Gemeinschaft tagtäglich leisten. Vielmehr soll die Freizeit zwischen den Mahlzeiten zum Aufenthalt an der frischen Luft oder für eine angenehme kreative Beschäftigung genutzt werden. Schließlich lebt man ja auf einem "Inselwohnsitz".
Unterschiede zwischen dem Ansatz einer Demenz-Wohngemeinschaft zu einem Pflegeheim:
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Die Mitglieder einer Demenz-WG leben in ihrer Häuslichkeit eigenverantwortlich als Privathaushalt. Sie sind Mieter mit allen Rechten und Pflichten
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Die Bewohner sind Mitglieder in der Wohngemeinschaft mit einer daraus resultierenden stärkeren Geborgenheit
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Durch den Einzug in die WG bleiben die eigene Biografie und die gewohnte Einrichtung (im Wesentlichen) erhalten
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Die Teilnahme am Gemeinschaftsleben ist selbstbestimmt, ebenso die Wahl der in Anspruch genommenen pflegerischen Leistungen. Daraus resultiert nicht zuletzt ggf. ein Kostenvorteil gegenüber dem Pflegeheim
Perspektiven:
Nach der Fertigstellung 2010 waren innerhalb von kurzer Zeit alle Zimmer im Erdgeschoss vermietet.
Das Angebot, dass Angehörige zusammen mit ihrem dementen Partner einziehen, wurde anfangs nur zögerlich nachgefragt. Es gewinnt inzwischen jedoch immer mehr an Bedeutung.
Zwischenzeitlich entstanden in der Umgebung mehrere Pflegewohnprojekte, die den selben Ansatz verfolgen.
Die LAG schätzt dieses Projekt aus beispielgebend ein.